Materialcheck

Fliegst Du mit sauberem Stoff?

Gleitschirmpiloten schätzen das Freisein. Es ist in der Schweiz gross: wir erlangen das Brevet auf Lebzeiten über wenige Prüfungen, dürfen beinah von jedem Berg starten und auf jeder Wiese landen. Es  bestehen kaum gesetzliche Vorgaben zu Fluggeräten und ihrer Kontrolle. Die Verantwortung wird dem Piloten übertragen: der sorgsame Umgang mit den Stoffen an denen das Leben gleitet und die periodische Überprüfung auf ihre Lufttauglichkeit liegt in der Hand und dem Ermessen eines jeden Einzelnen. 

Was prüfen?

Periodisch geprüft werden sollten der Schirm, der Notschirm und das Gurtzeug einschliesslich aller Schnallen und Karabiner. Jeder Fluggeräthersteller empfiehlt in der Gebrauchsanweisung Art und Häufigkeit bestimmter Wartungen, sowie Lebensdauer des Geräts. Diese gilt es zu beachten. Wir geben nachfolgend einige Empfehlungen zu Periode und Art der Kontrollen und Wartungen, Empfehlungen die markenunabhängig als Richtwert herbeigezogen werden können, aber eventuell nicht mit den erwähnten, vom Hersteller erlassenen übereinstimmen.

Der Schirm

Es ist empfehlenswert, den Schirm regelmässig (je öfter, desto besser) visuell zu kontrollieren. Die Möglichkeit, der Raum und die Musse dazu bieten sich nach jedem Flug am Landeplatz beim Zusammenlegen. Traggurte und Leinen können durch die Hand gezogen und auf Beschädigungen und Ausfransungen besehen werden. Dafür anfälliger sind die Schlaufen in den Gurteschlössern und dünne, unummantelte Leinen. Die Kalotte gilt es auf Risse und Löcher zu überprüfen, mit besonderem Augenmerk auf die Eintrittskante und das folgende Obersegel. Entdecke ich einen Schaden und weiss nicht wie weiter, empfiehlt sich Rat von Kollegen, der Flugschule, erfahrenen Piloten etc., wie damit umzugehen sei. Kein Basteln! Mittels Eigenkontrolle schwierig oder unmöglich zu erkennen sind Kernbrüche ummantelter Leinen (Weissbrüche), Strukturschäden im Innern der Kalotte, geschrumpfte oder gedehnte Leinen (Trimmung) und deren Reissfestigkeit, die Luftdurchlässigkeit des Tuchs. Dies zu überprüfen bedarf es einer professionellen Kontrolle. Eine solche Kontrolle empfiehlt sich ungefähr alle zwei Jahre, oder nach ca. 80 - 100 Flugstunden, oder nach 150 Flügen, wie auch nach einer Baumlandung oder Ähnlichem. Kriechen, vor allem aber Schrumpfen sind Vorgänge die auch bei nicht geflogenem Material passieren, wenn es im Keller oder Schrank besserer Flugtage harrt. Diese Veränderungen sind minim, können aber über Jahre besehen relevant und folgenreich für das Flugverhalten sein – ein Check empfiehlt sich alle paar Jahre auch für nicht geflogene Schirme. Obschon sich dieser Check das ganze Jahr hindurch machen lässt, erinnert sich das Gros der Piloten vor den ersten Thermikflügen im neuen Jahr daran und schickt den Schirm gern anfangs Frühling in den Check. Die Ateliers haben dann alle Hände voll zu tun, die Wartezeit verlängert sich von circa zwei Wochen auf das Doppelte und mehr. Ein kompletter Gleitschirmcheck kostet zwischen CHF 300 und 360 zuzüglich Porto und Versand. Wir bei paraworld.ch sind seit 2023 auch ein Checkbetrieb. Im Januar und Februar, wenn die Thermik noch auf sich warten lässt, haben wir Kapazität deinen Schirm zu checken.

Gurtzeug

Die meisten Gurtzeuge mit einem Schaumstoffprotektor sind sehr langlebig und beinah unzerstörbar. Wie beim Schirm auch, empfiehlt sich ab und an eine visuelle Kontrolle der Nähte, sowie auf Scheuerstellen und Ausfransungen. Schaumstoff altert – er wird mit der Zeit brüchig und verliert an Volumen, warum die ihm einst zugedachte Stossdämpfung stetig wenig vermindert wird. Dieser Vorgang geht jedoch langsam vonstatten. Die meisten Protektoren können ausgewechselt werden; es ist empfehlenswert, das circa alle fünf Jahr zu tun. Etwas anders verhält es sich  bei Luftprotektoren (Airbags). Da deren Effektivität zu einem grossen Teil von der Luftundurchlässigkeit der verarbeiteten Stoffen abhängt, die mit der Zeit verloren geht, reagieren sie empfindlicher auf Alterung. Lufteinlässe (Kanäle) für Airbags basieren oft auf einer bestimmten Formtreue von Tuch und Kunststoff. Diese Struktur nimmt mit der Stoffalterung ab, wie auch mit der Anzahl unsachgemässer Beug- und Knickungen beim Verstauen, insbesondere bei Wendegurten. Für Gurtzeuge mit Airbag empfehlen wir eine fachmännische Kontrolle alle drei Jahre durchzuführen.

Karabiner

Besonderes Augenmerk beim Gurtzeug sollte Karabinern und Verschlüssen zukommen – Bindeglieder, die leider oftmals nur stiefmütterliche Beachtung erfahren. Hergestellt werden sie aus Stahl oder Aluminiumlegierungen (Zicral oder Titanal). Die meisten Gurtzeugmodelle sind ab Fabrikation mit Alukarabinern (mit Dreh- oder Schnappsicherung) ausgestattet. Bei Alukarabinern und -schnallen empfiehlt sich ein Austauschen alle 500 Flugstunden oder drei bis fünf Jahre, alle 1500 Flugstunden oder fünf bis acht Jahre bei jenen aus Stahl. Diverse Fabrikanten versehen Karabiner und Schnallen neuerdings mit einem Herstelldatum: eine sinnvolle Idee, die das Warten erleichtert. Altersunabhängig ausgetauscht werden sollten Stücke, die Beschädigungen (Hicke, Kratzer) in der Versiegelung aufweisen, da von solchen Stellen aus sich Haarrisse bilden und ausbreiten können; ebenso Karabiner und Schnallen die nicht vollständig, oder unsauber schliessen, da dies zu abnormer Zugbelastung und so zu Spannungsrissen führen kann (oder ungewolltem Öffnen bei Schnallen). Schau Dir die Teile immer mal wieder genau an und entscheide Dich im Zweifelsfall gegen die Untersuchten; ein neues Paar Karabiner kostet circa CHF 60.

Notschirm

Modell unabhängig den Notschirm alle sechs Monate neu zu packen ist die Empfehlung des SHV, ebenso von paraworld.ch. Beim Notschirmpacken werden Gummibänder verbaut. Gummi altert (oxidiert) und wird dabei klebrig. Das kann die Leinen verkleben und so die Öffnung verzögern. Diese Gummis gilt es beim Neupacken auszutauschen. Ausserdem ein wesentlicher Teil einer Neufaltung ist das Lüften des Notschirms davor bei idealer Luftfeuchtigkeit über mehrere Tage. Durch dieses Abhängen werden Tuch und Leinen statisch entladen – beim eingepackten Notschirm reibt Tuch auf Tuch oder Leine, oder auf dem Innencontainer, wodurch die statische Ladung entsteht. Diese Ladung kann zu Folge haben, dass Tuchbahnen statisch zusammen „kleben“ und der Notschirm sich suboptimal entfaltet und öffnet.
Die meisten gängigen Notschirme sind zu einem grossen Anteil aus Nylon (Polyamid) gefertigt, Nylon wiederum beinhaltet Weichmacher. Diese Weichmacher verflüchtigen sich, warum die Elastizität und Weichheit von Nylon mit dem Alter allmählich verloren geht und das Material brüchiger wird (wie bei uns Wirbeltieren die Knochen im Alter). Besonders bei schockartigen Öffnungen des Notschirms wird durch die, zum grössten Teil irreversible,  Dehnung des Tuchs und der Leinen viel der entstanden Energie absorbiert. Da diese Dehnung, wie erwähnt, irreversibel ist, haben gebrauchte, wie auch Notschirme ab einem gewissen Alter nicht mehr die ursprünglich vorhandene Effektivität beim Absorbieren der Fallenergie. Wie die meisten Hersteller empfehlen wir Notschirme auszutauschen, die älter als zehn Jahre sind. Vom Kauf gebrauchter (geworfener wie auch nicht neuer) Notschirme raten wir ab. Eine Neufaltung für eine Kreuzkappe (gängigste Form) kostet bei paraworld.ch CHF 90 und wird binnen einer Woche immer auf Donnerstag erledigt.

Fazit

Materialchecks sind nicht ganz so prickelnd wie das Fliegen selbst und mit einem organisatorischen und finanziellen Aufwand verbunden. Ob sich dieser lohnt, ist abzuwägen jedem Piloten überlassen und hängt davon ab, wie sehr man an seinem Material hängt... Genau. Darum empfehlen wir zum Flug unter sauberem und geprüftem Stoff. paraworld.ch ist Dein Händler und Fachmann und hilft gern bei allen Arten von Reparaturen, Checks, Unsicherheiten und Entzugserscheinungen.